Sozialpolitik aktuell in Deutschland

Pflegeversicherung & Pflege

Neuregelungen

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Beschlussfassung


12/2015: Pflegestärkungsgesetz II

Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, Einführung von fünf Pflegegraden, Neubemessung der Leistungen und der Höhe der Eigenleistungen, bessere soziale Absicherung von Pflegepersonen, Anhebung des Beitragssatzes

Referentenentwurf (22.06.2015)

Gesetzentwurf (14.08.2015)

Bundestagsanhörung vom 30.09.2015: Schriftliche Stellungnahmen von Einzelsachverständigen und Verbänden Teil 1; Teil 2; Teil 3

Gesetz vom 28.12.2015

Inkrafttreten: In den wesentlichen Teilen ab 01.01.2017

 

Wesentliche Inhalte

Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, Einführung von Pflegegraden

  • Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, fünf für alle Pflegebedürftigen einheitlich geltende Pflegegrade ersetzen das bisherige System der drei Pflegestufen und der zusätzlichen Feststellung von erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (insbesondere Demenz).
  • Körperliche, geistige und psychische Einschränkungen werden gleichermaßen erfasst und in die  Einstufung einbezogen. Bemessung des Grads der Selbstständigkeit in sechs verschiedenen Bereichen und Zusammenführung – mit unterschiedlicher Gewichtung – zu einer nach Pflegegraden abgestuften Gesamtbewertung.. Die sechs Bereiche sind:

       - Mobilität
       - Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
       - Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen
       - Selbstversorgung
       - Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
       - Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

 

Höhe der Leistungen und Einstufung in Pflegegrade

  • In Pflegegrad 1 werden Menschen eingestuft, die noch keinen erheblichen Unterstützungsbedarf haben, aber zum Beispiel eine Pflegeberatung, eine Anpassung des Wohnumfeldes oder Leistungen der allgemeinen Betreuung benötigen.
  • In der vollstationären Pflege kommt es für die Betroffenen nicht auf die Höhe der Leistungsbeträge an sondern auf die Höhe des Eigenanteils, der aus eigener Tasche bezahlt werden muss. Dieser Eigenanteil steigt bisher mit der Einstufung in eine höhere Pflegestufe. Künftig wird der pflegebedingte Eigenanteil mit zunehmender Pflegebedürftigkeit nicht mehr ansteigen. Dadurch werden viele Pflegebedürftige entlastet. Alle Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 bezahlen in einem Pflegeheim den gleichen pflegebedingten Eigenanteil. Im Bundesdurchschnitt wird der pflegebedingte Eigenanteil im Jahr 2017 voraussichtlich bei rund 580 Euro liegen. Hinzu kommen für die Pflegebedürftigen Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Investitionen.

 

Leistungsbeträge in Euro/Monat

Hauptleistungsbeträge in Euro

PG1

PG2

PG3

PG4

PG5

Geldleistung ambulant

125*

316

545

728

901

Sachleistung ambulant

 

689

1298

1612

1995

Leistungsbetrag stationär

125

770

1262

1775

2005

(* Als Geldbetrag, der für Erstattung der Betreuungs- und Entlastungsleistungen zur Verfügung steht.)

 

Überleitung bereits Pflegebedürftiger

  • Wer bereits Leistungen der Pflegeversicherung bezieht, wird automatisch in das neue System übergeleitet. Alle, die bereits Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten, erhalten diese auch weiterhin mindestens in gleichem Umfang, die allermeisten erhalten sogar deutlich mehr.
  • Konkret gilt die Formel: Menschen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen werden automatisch in den nächst höheren Pflegegrad übergeleitet. (Beispiele: Pflegestufe I wird in Pflegegrad 2, Pflegestufe III wird in Pflegegrad 4 übergeleitet). Menschen mit geistigen Einschränkungen kommen automatisch in den übernächsten Pflegegrad. (Beispiel: Pflegestufe 0 wird in Pflegegrad 2, Pflegestufe II mit eingeschränkter Alltagskompetenz wird in Pflegegrad 4 übergeleitet.)

 

Weitere neue Regelungen

  • In stationären Pflegeeinrichtungen hat künftig jeder Versicherte Anspruch auf zusätzliche Betreuungsangebote. Die Einrichtungen müssen mit den Pflegekassen entsprechende Vereinbarungen schließen und zusätzliche Betreuungskräfte einstellen.
  • Stärkung des Grundsatzes "Reha vor Pflege". Der Medizinische Dienst wird zur Anwendung eines bundesweit einheitlichen, strukturierten Verfahrens für die Rehabilitationsempfehlungen verpflichtet.
  • Bessere Absicherung pflegender Angehöriger in der Renten- und Arbeitslosenversicherung: Künftig zahlt die Pflegeversicherung Rentenbeiträge für alle Pflegepersonen, die einen Pflegebedürftigen im Pflegegrad 2-5 mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens zwei Tage, zu Hause pflegen. Die Rentenbeiträge steigen mit zunehmender Pflegebedürftigkeit. Wer einen Angehörigen mit außerordentlich hohem Unterstützungsbedarf (Pflegegrad 5) pflegt, erhält um 25 Prozent höhere Rentenbeiträge als bisher. Auch Angehörige, die einen ausschließlich demenzkranken Pflegebedürftigen betreuen, werden über die Rentenversicherung abgesichert.
  • Für Pflegepersonen, die aus dem Beruf aussteigen, um sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern, bezahlt die Pflegeversicherung künftig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die gesamte Dauer der Pflegetätigkeit. Die Pflegepersonen haben damit Anspruch auf Arbeitslosengeld und Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, falls ein nahtloser Einstieg in eine Beschäftigung nach Ende der Pflegetätigkeit nicht gelingt. Gleiches gilt für Personen, die für die Pflege den Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung unterbrechen.
  • Neustrukturierung und Ausweitung der Regelungen zur Information und Beratung.. Die Pflegekassen müssen künftig kostenlose Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen anbieten. Verbesserung der Zusammenarbeit der Pflegeberatung mit weiteren Beratungsstellen vor Ort – z.B. der Kommunen – durch verbindliche Landesrahmenverträge.
  • Überarbeitung der Regelungen zur Qualitätssicherung, -prüfung und -darstellung und Straffung der Entscheidungsstrukturen der Selbstverwaltung in diesem Bereich gestrafft. Die Schiedsstelle Qualitätssicherung nach § 113b SGB XI wird zu einem Qualitätsausschuss. Der Ausschuss muss in gesetzlich vorgegebenen Fristen und unterstützt von einer qualifizierten Geschäftsstelle ein neues Verfahren der Qualitätsprüfung vereinbaren und dabei insbesondere Indikatoren zur Messung von Ergebnisqualität berücksichtigen. Grundlegende Überarbeitung des Verfahrens zur Darstellung der Qualität (sog. Pflege-TÜV). Die Selbstverwaltung erhält den Auftrag, ein Konzept für die Qualitätssicherung in neuen Wohnformen, z.B. ambulant betreuten Wohngruppen, zu erarbeiten.
  • Überprüfung der Personalausstattung infolge des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und Anpassung an den Bedarf. Verpflichtung der Selbstverwaltung zur Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Personalbemessungssystems.

 

Beitragssatzerhöhung

Anhebung des Beitragssatzes zum 01.01.2017 um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 bzw. 2,8 Prozent für Kinderlose zur Finanzierung der Leistungsverbesserungen.


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